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Zum Branchentreff der Musikinstrumenten-Hersteller

Im globalen Gebläse

Gerhard A. Meinl17.03.2015

Der Musikinstrumentenmarkt ist vielfältig, denn er umfasst die traditionellen akustischen Ins­trumente – von einfachen chinesischen Exporten bis hin zu Einzelstücken nach Maß gefertigt –, ebenso wie den Bereich Elektronik einschließlich des Zubehörs. Im deutschen Einzelhandel werden damit inklusive Musikalien jährlich 1,8 Milliarden Euro umgesetzt. Aber der Markt ist zugleich schon seit Jahrhunderten international, noch lange bevor man von Globalisierung sprach – man folge nur den Wegen der Musiker, der Orchester, der Komponisten. Die Blasinstrumentenhersteller verkaufen jährlich 700 Millionen Euro an Holzblasins­trumenten weltweit, außerdem für 500 Millionen Euro Blechblasinstrumente. Diese Märkte sind grundsätzlich abhängig von der Demografie und von der Durchdringung der Regelschulen mit Musikunterricht: Damit der chinesische Markt groß ist, müssen die Schüler dort erst Klarinette spielen lernen. Anders als bei Klavieren, die manchmal nur als schickes Statussymbol gekauft werden  … Dafür boomt derzeit Südamerika nach dem Vorbild von El Sistema in Venezuela. Dies ist auch der Grund, warum die Pro-Kopf-Ausgaben für Musikinstrumente in den USA um 40 Prozent über denen Deutschlands liegen: die vielen Highschool Bands und Wind Symphonies (Symphonische Blasorchester) an Schulen! In der Szene der Musikinstrumentehersteller sind alle einander bekannt; es gibt keinen, der rechts überholt. Außerdem war das letzte neue Blasinstrument, jenseits von Mode und Detailverbesserung, das Saxofon. Da Ventile erst 200 Jahre alt sind, ist die Entwicklung der Ventilblasinstrumente noch nicht gänzlich abgeschlossen, anders als zum Beispiel bei der Posaune. Auf unserem Markt geht es um Know-how, Tradition, enge Zusammenarbeit mit Musikern aus aller Welt, Verständnis für Klang, Ansprache und Intonation, und Deutschland profitiert vom dualen Ausbildungssystem, vom Meisterstolz und dessen Anspruch.

Aufgrund dessen gibt es Ein-Mann-Betriebe, die ebenfalls in alle Welt liefern, ebenso wie mittelständische Unternehmen wie das unsere, das 500 Mitarbeiter in der Produktion beschäftigt. Die Herstellung von Blasinstrumenten erfolgt überwiegend handwerklich, letztlich geht es um Verformung wie bei einem Kupferschmied sowie ein feinmechanisches und vielfältiges Hands-on. Hier sei erwähnt, dass der traditionelle Musikinstrumentenbau in Markneukirchen und Umgebung gerade in die deutsche Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen wurde. Das sächsische Vogtland ist ein Zentrum des Musikinstrumentenbaus in Deutschland, begründet durch die Exilanten der Gegenreformation aus dem benachbarten Egerland/Böhmen, ebenso wie Nauheim, Bubenreuth und Geretsried, die ebenfalls von Egerländern nach der Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg dazu gemacht wurden. Dort wurde das Unternehmen meiner Familie 1810 gegründet, ich bin heute in der siebten Generation dort tätig.

Europas Orchester als Tester

Unvermindert pilgern in diese Zentren auch heute noch die Musiker aus aller Welt. Von den New Yorker Philharmonikern über Hollywoods Studiomusiker bis hin zu Künstlern aus der arabischen Welt. Und so entstehen dann in ständiger Innovation Ins­trumente, die den akustischen Voraussetzungen der Avery Fisher Hall entsprechen, solche, die die Effizienz haben, die man für die Filmmusik braucht, wenn man nicht weiß, was für Noten vorgelegt werden, oder eben eine Vierteltontrompete für einen arabisch beeinflussten Jazz. Daraus können dann Modelle für den Markt entstehen, denn: Studenten folgen ihren Vorbildern, wie auch der Amateur, der denselben Tennisschläger haben will wie Boris Becker.

In Europa profitieren wir Blasinstrumentenhersteller davon, dass so viele Orchester und deren Spitzenmusiker immer wieder als Tester zur Verfügung stehen. Dies gilt auch für die ganze Breite der Musik – eben und gerade auch für Blasmusik in den vielen Kapellen, von den Egerländer Musikanten von Ernst Mosch, heute Ernst Hutter, bis hin zur einfachen Dorfmusik oder der bayerischen La Brassbanda.

Wie der Markteintritt japanischer Hersteller vor 40 Jahren hat in den letzten Jahren jener chinesischer Hersteller vieles verändert. Auch unsere Branche hat mit Plagiaten und Markenpiraterie zu kämpfen. Da die Instrumente aber immer besser werden, bleibt zu hoffen, dass mehr Schüler an das Musizieren herangeführt werden können; wobei man gerade dabei bedenken muss, dass ein Anfänger besonders gute Instrumente erfordert, sonst verliert er die Freude. Daher nutzen auch europäische Hersteller Partnerschaften, um unter eigenem Namen und mit den entsprechenden Vorgaben Schülerinstrumente herstellen zu lassen und zu vertreiben. Aber auch hier gilt, dass sich alle kennen, häufig sogar die jeweiligen Produktionsstätten, auch wenn alle das Fotografieren verbieten. Aber natürlich wissen alle: Handwerkskunst, die Gestaltungskraft von Auge und Hand, jahrhundertealte Erfahrung und das kulturelle Verständnis für die Musik lässt sich nicht einfach kopieren. Da der Markt global ist, sind Vertriebsfragen heute wichtiger auch für jedes einzelne kleinere und mittlere Unternehmen der Branche. Zwar mögen die Websites viele Erklärungen ersparen, sogar Klangkataloge lassen sich dort finden, aber blasen muss der Musiker eben selbst. Und dennoch ist auch der Internetvertrieb in unserer Branche sehr stark geworden, denn er macht die Ware überall verfügbar. Nicht ersetzt werden dadurch die drei großen internationalen Musikmessen, aktuell die Frankfurter Musikmesse vom 15. bis 18. April. Jede Instrumentengruppe hat Konferenzen, auf denen man sich zu Neuigkeiten austauscht, außerdem Summercamps, Meisterklassen, aber auch große Festivals mit vielen Musikgruppen. Viele Instrumentenhersteller von Rang sind hier vertreten.

 Alles große Herausforderungen für unsere Branche, aber ich warte immer noch auf eine ganz besondere: Wann kommt endlich mal wieder ein Richard Wagner vorbei und verlangt von einem Musikins­trumentenmacher ein neues Instrument? So wie Wagner sich damals das Heckelphon von der Firma Heckel in Biebrich bei Wiesbaden bauen ließ, als er einen Abstecher von seinem Verleger Schott in Mainz machte. Ich warte – wir sind bereit!